Idee „Dreikönig“
Die Pfarrei und Kirchgemeinde Frenkendorf-Füllinsdorf entstand im Jahr 1967. Nach bewegten und engagierten Jahren in eher behelfsmässigen Räumen an der Haldenrainstrasse in Frenkendorf kam der Wunsch auf nach mehr Raum und mehr Gestaltungsmöglichkeiten.
Der Architekt Beat von Tscharner legte ein Konzept vor für ein Pfarreizentrum an der Mühlemattstrasse in Füllinsdorf, das 1977 nach grossem Einsatz von vielen Freiwilligen eingeweiht wurde.
Die architektonische Gestaltung ist geprägt von der Idee: «Alles unter einem Dach.» Der Raum für gottesdienstliche Feiern ist eingebettet in Räume, wo sich Leben entfalten kann beim gemeinschaftlichen Essen und Trinken, Lernen und Gestalten, Spielen und Erholen sowie bei solidarischen Aktionen von Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern verschiedener Herkunft.
Bei der Namensgebung für das Pfarreizentrum kam der Vorschlag «Dreikönig», der für viele jedoch eher ein Hotelname war. Aber warum eigentlich nicht? Das Haus sollte ja offen sein für alle, gastfreundlich auch für Vorüberziehende und für seltene Gäste sowie ein Stück Heimat für jene, die sie suchen.
Der Name ist eine Verpflichtung für die Pfarrei. Die drei Könige, oder die Weisen, wie sie in der Bibel genannt werden, haben sich mutig und risikofreudig auf den Weg gemacht, als sie ahnten, dass da in der Fremde etwas Wichtiges aufgebrochen war: Neue Wege suchen – auch Holzwege gehen, wie sie erfahren mussten im Machtzentrum beim König Herodes – und erkennen, dass es notwendig ist, auf einem anderen Weg weiterzugehen. Daran soll der Name Dreikönig erinnern.
Was steckt dahinter?
Sehen…
Menschen in Frenkendorf und in Füllinsdorf werden gesehen und ihre konkreten Lebenssituationen ernstgenommen: Ihre unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründe, ihre persönlichen Hoffnungen und Enttäuschungen, ihre Herausforderungen in den verschiedenen Generationen. Menschen, die an den Rand gedrängt werden, Menschen weltweit, die unter ganz anderen Bedingungen nach Leben suchen, kommen in den Blick.
Urteilen…
Orientierung bietet, was Maßstab Jesu war: Die jüdische Tradition und seine Vision vom Reich Gottes. Dadurch sehen sich Menschen in der Pfarrei herausgefordert, Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Unfreiheit anzuschauen und konkret zu deren Überwindung beizutragen. Gesellschaftliche Entwicklungen werden mit der Brille Jesu, der exemplarisch und maß-gebend Mensch war, beurteilt: Wir stellen uns mit ihm hinter ausgebeutete, benachteiligte und ausgegrenzte Menschen. Dabei gilt es, Mut zu haben, Missstände zu benennen und sich für menschenwürdiges Leben einzusetzen.
Handeln...
Das Pfarrei- und Begegnungszentrum Dreikönig ist Ort zum Leben und offenen Denken, wo Menschen sich wohlfühlen, einander begegnen und sich gegenseitig unterstützen, einander Halt und Orientierung geben können, wo Solidarität geübt und erfahren wird, wo emanzipatorische Aufbrüche und Widerstandskultur möglich sind, wo Menschen kreativ sein und feiern können. In dieser Haltung werden in Dreikönig Gottesdienste gefeiert, in denen Menschen sich an die Praxis Jesu erinnern, daran Maß nehmen und Hoffnung tanken können. Dabei ist die lang praktizierte ökumenische Zusammenarbeit selbstverständlich. Unangepasste, Querdenkerinnen, Lesben und Schwule, Skeptiker, Feministinnen, Individualisten leben unter und mit uns.
Hier finden Sie das Leitbild der Pfarrei Dreikönig, wie es in den Jahren 2011-13 in Pfarreirat und Pfarreiteam unter Federführung von Maria Klemm und Peter Bernd ausgearbeitet wurde.
Möge das Teilen des Brotes und des Bechers die Herzen stärken, dass wir, voller Hoffnung, mitwirken an einer anderen Welt, wo nicht mehr zweierlei Menschen sind, wo Brot und Recht und Würde und Liebe ist für alles, was lebt.
Parteilich
Parteilichkeit wird oft verwechselt mit Parteipolitik oder parteiisch sein. Darum geht es nicht.
Parteilich sein – das ist das Ergebnis einer bewussten Entscheidung darüber, auf welcher Seite und an wessen Seite ich stehe, wofür ich einstehe und kämpfe.
Das gilt für jede/n persönlich und für jede christliche Gemeinde, die sich auf die befreienden Erfahrungen von Menschen mit dem Gott der Bibel, auf die Propheten und auf Jesus Messias beruft.
In der Befreiungstheologie ist daraus die «Option für die Armen» entstanden, für die hungernden und ausgebeuteten Menschen, für die Opfer von Krieg und Gewalt, für die unterdrückten und ausgegrenzten Verfolgten – und heute auch für die «Bewahrung der Schöpfung» angesichts des tödlichen Klimawandels.
Dabei geht es auch um Menschen hier in der Schweiz, die als working poor, als Alleinerziehende, als Kinder aus armutsbetroffenen Familien, als Arbeitslose oder Ausgesteuerte um ihre Existenz und um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kämpfen müssen. Und es geht um die Geflüchteten, die hier auf eine Chance zum Leben hoffen.
Parteilich sein heisst darum auch, bei jeder politischen Abstimmung danach zu fragen:
Wem dient die Vorlage? Wem schadet sie? Fördert sie das Leben der Schwächsten?
Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen.
Hannah Arendt
Leben feiern
In Erinnerung an Jesus Messias werden in Dreikönig miteinander Gottesdienste gefeiert, in denen seine Botschaft, das biblisch-parteiliche Wort, in einer für heutige Menschen verständlichen Sprache zum Ausdruck kommt und in denen ihr Leben mit allen Facetten Platz hat.
Die liturgischen Feiern, vor allem an den Sonn- und Feiertagen, sind symbolische Feiern des Lebens und der Befreiung. Dass nach der biblischen Grundoption Menschen „Gleiche und Freie“ sein sollen, prägt das Beten und Singen, dogmatistische Formeln werden vermieden. Die Predigt ist dem Anliegen dieser Grundoption verpflichtet. Politische „Enthaltsamkeit“ ist nur scheinbar möglich, die Verkündigung dient nicht durch Worthülsen bürgerlich-privaten Trosterwartungen und darf nicht das kapitalistische System indirekt und durch Standpunktlosigkeit und damit eben doch politisch stützen, sondern wendet den Blick im Sinne des „Sehens“ und „Urteilens“ auf die für viele Menschen brutale Wirklichkeit und versucht, den Kapitalismus als Religion zu demaskieren.
Es geht um etwas viel Tieferes: darum, die Verpflichtung des Evangeliums einzulösen; es geht um eine echte Option für die Armen, um die Inkarnation in ihre Welt, um die Verkündigung der Frohbotschaft und darum, den Armen Hoffnung zu geben, sie zur Freiheit zu ermutigen, ihre Rechte zu verteidigen und ihr Leben zu teilen.
Oscar Romero